Becoming
von Rebekka Reinhard
„Das Weltall steuert der Blitz.“ Immer wird etwas. Becoming. Leben ist Bewegung,
Beschleunigung, Verlangsamung, Transformation, Entstehung, Degeneration,
Wiedergeburt. Leben ist mehr und weniger… sowohl mehr als auch weniger…
mehr als weniger… immer mehr. Was kommt nach dem Leben, was ging voran?
Was war am Anfang? Vor dem Urknall? Vor dem Kosmos? Die Leere… das All.
Der Kosmos ist das gigantischste vorstellbare Ready Made. Was nun?
„Alles fließt.“ Heraklit stellt fest, das alles Seiende (alles, was „ist“), sich ständig und
ewig bewegt. Ein Fluss „ist“ nicht derselbe, er wird immer ein anderer, weil immer
neues, anderes Wasser in ihm fließt. Man kann nicht zwei Mal in denselben Fluss
steigen. Auch wir, die wir jetzt in den Fluss steigen – die Isar, den Eisbach, den Fluss
der Welt – sind nicht mehr die, die wir eine Sekunde zu vor waren. Trocken – naß,
schwitzend – zitternd. Weil wir selbst uns mit dem Vorher und Nachher ändern, kann
Heraklit auch sagen, dass wir zugleich hineinsteigen und nicht hineinsteigen, dass
wir sind und nicht sind. Dauerhaft ist nur das Werden. Nur in ihrem andauernden
Werden sind die Dinge wirklich.
„Verbindungen: Ganzes und Nichtganzes, Einträchtiges Zwieträchtiges, Einklang
Zwieklang, und aus Allem Eins und aus Einem Alles.“ Tag und Nacht, kalt und warm,
Leben und Tod – alle gegenläufigen Tendenzen gehören zusammen, entwickeln sich
im Einheits-bildenden Streit. Für Heraklit sind sie das Prinzip, der Ursprung, der
Anfang von allem. Das göttliche Feuer. Ein körperliches, kein ideell-symbolisches.
Feuer ist Macht. Feuer ist Lebendiges, das sich von Brennbarem ernährt, es ist
Leben und Tod. Der logos, der alles durchzuckt, an dem sich alles auf- und entlädt.
Was war am Anfang? Der Anfang liegt unter vielen Schichten begraben. Äußeren
und inneren. Je tiefer man gräbt, desto heißer wird es. In den Arbeiten der Künstlerin
Judith Milberg brennt das Heraklitische Feuer. Alles in und an ihnen sind
Beziehungen, Kommunikation, Spannungen, Gegensätze, Verbindungen. Alles in
und an ihnen wird. Becoming. Was war am Anfang? Bevor etwas anfangen kann,
muss man immer schon angefangen haben. Schaffen beginnt mit Finden. Den
inneren Weg zur Form finden… aus der inneren Bewegung heraus im Streit der
Gegensätze… eine feurige Einheit finden. Eine Form, die uns zu denken gibt. Uns
beseelt. Uns zueinander führt.
Danke Judith, dass Du uns zum immer-anders-Werden inspirierst!